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„Ich bin ein schneller Schipper“ – das traurige Schicksal eines Schrebergärtners

Es ist nur ein paar Tage her, als ich ihn darauf angesprochen habe, wie viel Muttererde er sich letztes bestellt hat und wie anstrengend es war, alles auf seine Parzelle zu karren. Ja, er hat sich 8m3 bestellt. Es wurde zu jeweils 4m3 geliefert. Pro Fuhre hat er ca.1,5 Stunden gebraucht.„Ich bin ein schneller Schipper.“ sagte er zu mir mit einem warmen, zuversichtlichen Lächeln.

Der fleißige Gärtner.

Mit dieser Aussage hat er mir das Gefühl gegeben, sich 8m3 Muttererde liefern zu lassen und es per Manneskraft auf das eigene Grundstück zu karren, ist keine große Sache. Zumindest nicht, wenn man ein kräftiger und gesunder Mann ist, aber auch so. Gepackt von seiner Leichtigkeit habe ich gleich meinen Lieferanten angerufen und gefragt, ob sie auch 8m3 Muttererde liefern könnten. Klar können sie das, aber dann müssten sie mit einem größeren LKW kommen. Bei diesen Worten der freundlichen Frau am Telefon bekam ich auf einmal wieder mehr Respekt vor der Lieferung. Ich bin zurückgerudert und habe es erstmal bei 5m3 Muttererde belassen. Schließlich bin ich eine Frau und ich habe bestimmt mindestens 300m mehr Weg als dieser nette Schrebergärtner aus meiner Kolonie.

Was soll ich sagen. Nach dem Wochenende gab es eine traurige Nachricht bei mir in der  Schrebergartenkolonie. Der neue Schrebergärtner, der erst vor einem halben Jahr seine Parzelle übernommen und alles neu gemacht hat, ist von Freitag auf Samstag plötzlich verstorben. Er hinterlässt seine Frau, einen kleinen Sohn und ein vor paar Wochen geborenes Baby. Um genau zu sein, war es der schnelle Schipper, der unerwartet aus dem Leben gerissen wurde. Auch wenn ich Ihn und seine Familie nicht wirklich kenne, hat mich dieses Schicksal ergriffen. Ich war ehrlich gesagt fassungslos. „Das kann nicht sein!“ war mein erster Gedanke. Noch vor ein paar Tagen hat er mir das Gefühl gegeben, selbst die größten Berge kann man mühelos erklimmen. Oder zumindest kann man es nach Außen so aussehen lassen.

Wie oft bin ich in den letzten Monaten an seiner Parzelle vorbei gegangen und habe gestaunt, wie fleißig und vor allem auch schnell er und seine Familie das Projekt Schrebergarten angegangen sind. Ich habe mich ernsthaft gefragt, ob ich nicht vielleicht doch einfach faul bin, weil ich in zwei Jahren nicht ansatzweise so viel geschafft habe. Innerhalb von 6 Monaten hatte sich die verwahrlosteste Parzelle in unserer Kolonie in einen kleinen Schrebergartentraum mit dem hübschesten Häuschen verwandelt. Für mich waren die beiden und insbesondere er ganz klar Superman und Superwoman mit übernatürlichen Kräften.

Jetzt ist es, wie es ist. Jedesmal, wenn ich jetzt an seiner Parzelle mit seinem neuen hübschen Häuschen vorbei gehe, hören ich ihn sagen: „Ich bin ein schneller Schipper. Ich bin auch bald fertig. Ich baue nur noch die Terrasse und dann wartet auf meine Familie und mich nur noch die Liegestühle.“ Gedanklich lächle ich, aber antworte ihm nun ganz bestimmt: „Weisst Du was, ich helfe Dir beim schippen. Ja, ich weiss, Du brauchst und vor allem möchtest Du keine Hilfe. Ich helfe Dir trotzdem. Und danach chillen wir eine Runde beim grillen mit unseren Liebsten. Das einfach mal Nichts tun, ist nämlich meine Königsdisziplin.“

In Andenken an den tüchtigsten Schrebergärtner, der mir je begegnet ist. 

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